Hatte Jesus eigentlich eine Bibel?
Hatte Jesus eigentlich eine Bibel?
NEIN, er hatte keine. Und warum nicht? Weil es in den Tagen Jesu noch nicht die vollständige Bibel gab, wie es sie heute gibt. Allerdings bewahrte man in den Synagogen Sammlungen von Buchrollen auf, aus denen unsere heutige Bibel entstanden ist. Jesus las in der Synagoge von Nazareth aus der Jesajarolle vor (Lukas 4:16, 17). Der Apostel Paulus hörte in Antiochia in Pisidien die „Vorlesung des GESETZES und der PROPHETEN“ (Apostelgeschichte 13:14, 15). Und der Jünger Jakobus sagte, dass die Schriften des Moses „in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen“ wurden (Apostelgeschichte 15:21).
Gab es denn im ersten Jahrhundert auch Personen, die ihre eigenen Buchrollen der heiligen Schriften besaßen? Offensichtlich hatte der äthiopische Eunuch, der am Hof der Königin Kandake diente, eine Buchrolle, denn als der Jünger Philippus ihm auf der Straße nach Gasa begegnete, ‘saß er auf seinem Wagen und las laut den Propheten Jesaja’ (Apostelgeschichte 8:26-30). Der Apostel Paulus bat Timotheus, „die Buchrollen, besonders die Pergamente“, mitzubringen (2. Timotheus 4:13). Wenn Paulus auch nicht sagte, um welche Buchrollen es ging, ist es durchaus möglich, dass es sich dabei um Teile der Hebräischen Schriften handelte.
Laut Alan Millard, Professor für altsemitische Sprachen, war bei den Juden der persönliche Besitz biblischer Schriftrollen wahrscheinlich nur etwas für „privilegierte Männer in Palästina, für alle, die den Anspruch erhoben, gebildet zu sein, für manche der Pharisäer und für Lehrer wie Nikodemus“. Der Grund dafür war teilweise der Preis, den man dafür zahlen musste. Millard schätzt „einen Preis von sechs bis zehn Denaren für eine Abschrift des Jesajabuches“ und sagt, dass „eine vollständige Sammlung der Bücher der hebräischen Bibel fünfzehn bis zwanzig Rollen umfasste“ und damit etwa die Hälfte eines Jahreseinkommens kosten konnte.
In der Bibel wird nicht gesagt, ob Jesus oder seine Jünger im Besitz von Abschriften biblischer Schriftrollen waren. Offenbar war Jesus jedoch in den Schriften sehr versiert und konnte aus dem Kopf daraus zitieren oder darauf Bezug nehmen (Matthäus 4:4, 7, 10; 19:4, 5). Sollte das nicht auch uns heute motivieren, uns mit der Bibel gut vertraut zu machen, wo sie doch überall erhältlich und auch erschwinglich ist?