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KAPITEL 13

Prediger des Königreiches gehen vor Gericht

Prediger des Königreiches gehen vor Gericht

FOKUS DES KAPITELS

Wie Jesus voraussagte, müssten seine Nachfolger für ihr Recht zu predigen kämpfen

1, 2. (a) Womit wurde die Christenversammlung konfrontiert, aber wie reagierten die Apostel darauf? (b) Warum hielten sich die Apostel nicht an das Predigtverbot?

 PFINGSTEN 33 ist kaum vorüber. Die Christenversammlung in Jerusalem ist erst wenige Wochen alt. Wie nicht anders zu erwarten, sieht Satan die Zeit für einen Angriff gekommen. Bevor die Versammlung groß und stark wird, möchte er sie auslöschen. Durch geschickte Manipulation erwirkt er umgehend ein Verbot der Predigttätigkeit. Doch die Apostel predigen furchtlos weiter und viele Männer und Frauen glauben daraufhin an den Herrn (Apg. 4:18, 33; 5:14).

Jesu Apostel freuten sich, „weil sie für würdig erachtet worden waren, um seines Namens willen in Unehre zu kommen“

2 Verärgert holen die Gegner zum nächsten Schlag aus — diesmal sperren sie alle Apostel ins Gefängnis. In der Nacht öffnet der Engel Jehovas jedoch die Gefängnistüren und bei Tagesanbruch sind die Apostel schon wieder mit der guten Botschaft unterwegs. Sie werden unter der Anklage festgenommen, gegen das Predigtverbot verstoßen zu haben. Mutig erklären sie: „Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen.“ Die Mitglieder des Hohen Rats schäumen vor Wut und wollen die Apostel umbringen. Doch im entscheidenden Augenblick meldet sich der geachtete Gesetzeslehrer Gamaliel zu Wort und warnt: „Nehmt euch in Acht . . . Steht ab von diesen Menschen, und lasst sie gehen.“ Überraschenderweise stößt sein Rat auf offene Ohren und die Apostel kommen frei. Wie geht es weiter? Die treuen Männer lassen sich nicht davon abhalten, „ununterbrochen . . . zu lehren und die gute Botschaft über den Christus, Jesus, zu verkündigen“ (Apg. 5:17-21, 27-42; Spr. 21:1, 30).

3, 4. (a) Wie hat Satan Gottes Volk immer wieder angegriffen? (b) Worum geht es hier und in den nächsten beiden Kapiteln?

3 Dieser Prozess im Jahr 33 war der erste Fall, bei dem die Christenversammlung von offizieller Seite bekämpft wurde, aber bei Weitem nicht der letzte (Apg. 4:5-8; 16:20; 17:6, 7). Auch heute stachelt Satan immer wieder Gegner an, auf ein Verbot unserer Tätigkeit hinzuwirken. Uns wurden schon alle möglichen Gesetzesübertretungen unterstellt. Einmal stören wir angeblich die öffentliche Ordnung und sind deshalb Unruhestifter. Ein andermal gelten wir als Aufwiegler, dann wieder als Verkäufer oder Hausierer. Wenn es angebracht erschien, gingen wir vor Gericht, um diese Vorwürfe zu entkräften. Was war das Ergebnis? Wie wirken sich Urteile, die vor Jahrzehnten gefällt wurden, auf dich persönlich aus? Sehen wir uns einige Beispiele an, wie Prozesse zur „Verteidigung und gesetzlichen Befestigung der guten Botschaft“ beigetragen haben (Phil. 1:7).

4 In diesem Kapitel geht es darum, wie wir unsere Predigtfreiheit verteidigen konnten. Die nächsten zwei Kapitel beschäftigen sich mit einigen Gerichtsverfahren, zu denen es kam, weil wir uns von der Welt getrennt halten und nach den Gesetzen von Gottes Königreich leben wollen.

Unruhestifter oder loyale Unterstützer des Königreiches?

5. Warum kam es Ende der 30er-Jahre in den USA zu Verhaftungen, und wozu entschieden sich die verantwortlichen Brüder?

5 Ende der 30er-Jahre verlangte man in vielen Städten und Bundesstaaten der USA von Jehovas Zeugen eine behördliche Genehmigung für ihre Predigttätigkeit. Unsere Brüder ließen sich aber nicht darauf ein. Zum einen kann eine Genehmigung jederzeit zurückgezogen werden, und zum anderen durfte ihrer Meinung nach kein Staat gegen Jesu Gebot vorgehen, das Königreich bekannt zu machen (Mar. 13:10). Es kam zu Hunderten von Verhaftungen. Daraufhin beschlossen die verantwortlichen Brüder, vor Gericht zu gehen. Sie wollten darlegen, dass der Staat das Recht der Zeugen Jehovas auf ungestörte Religionsausübung widerrechtlich eingeschränkt hatte. Ein Vorfall im Jahr 1938 sollte schließlich zu einem Grundsatzurteil führen.

6, 7. Was erlebte die Familie Cantwell?

6 Am 26. April 1938, einem Dienstag, machten sich fünf Sonderpioniere morgens auf den Weg nach New Haven (Connecticut). Es handelte sich um den 60-jährigen Newton Cantwell, seine Frau Esther und ihre Söhne Henry, Russell und Jesse. Die Cantwells wollten dort den ganzen Tag im Predigtdienst verbringen. Allerdings waren sie darauf eingestellt, länger als einen Tag weg zu sein. Sie rechneten damit, festgenommen zu werden, wie sie es schon mehrmals erlebt hatten. Doch diese Aussicht dämpfte ihren Predigteifer nicht im Geringsten. Sie trafen mit zwei Autos in New Haven ein. Newton fuhr den mit biblischer Literatur und tragbaren Grammofonen beladenen Familienwagen und der 22-jährige Henry einen Lautsprecherwagen. Tatsächlich wurden sie innerhalb weniger Stunden von der Polizei angehalten.

7 Zuerst verhaftete man den 18-jährigen Russell, dann Newton und Esther. Jesse beobachtete aus der Ferne, wie seine Eltern und sein Bruder abgeführt wurden. Henry war in einem anderen Stadtteil unterwegs, deshalb blieb der 16-jährige Jesse ganz allein zurück. Doch er nahm sich sein Grammofon und predigte weiter. Zwei katholische Männer ließen sich Bruder Rutherfords Vortrag „Feinde“ vorspielen. Beim Zuhören wurden sie allerdings so ärgerlich, dass sie auf Jesse losgehen wollten. Der blieb jedoch ruhig und ging einfach weiter, bis ihn kurz darauf ein Polizist aufgriff. So landete auch Jesse hinter Gittern. Gegen Schwester Cantwell wurde keine Anzeige erstattet, wohl aber gegen ihren Mann und die Söhne, die allerdings noch am selben Tag gegen Kaution freikamen.

8. Warum wurde Jesse Cantwell als Unruhestifter verurteilt?

8 Einige Monate später, im September 1938, wurden Newton, Russell und Jesse in New Haven vor Gericht gestellt. Sie wurden schuldig gesprochen, weil sie angeblich ohne Genehmigung Spenden gesammelt hatten. Obwohl man sich an das Berufungsgericht von Connecticut wandte, wurde Jesse verurteilt, weil er die Ruhe und Ordnung gestört habe. Wie kam das? Die beiden Katholiken, die sich den Schallplattenvortrag angehört hatten, sagten aus, sie hätten den Vortrag als provozierend und als eine Beleidigung ihrer Kirche empfunden. Die verantwortlichen Brüder unserer Organisation wandten sich daraufhin an das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten.

9, 10. (a) Wie entschied das Oberste Bundesgericht im Fall Cantwell? (b) Welche Auswirkungen hat dieses Urteil bis heute?

9 Bei dem Prozess, der am 29. März 1940 begann, stand Bruder Hayden Covington als Anwalt vor dem Präsidenten des Obersten Bundesgerichts, Richter Charles E. Hughes, und acht Bundesrichtern. a Als der Staatsanwalt von Connecticut Jehovas Zeugen als Unruhestifter hinstellte, fragte ein Richter: „War denn nicht auch die Botschaft, die Christus Jesus predigte, seinerzeit unpopulär?“ Der Staatsanwalt erwiderte: „Das stimmt; und wenn ich mich recht erinnere, sagt die Bibel auch, wie es mit Jesus ausging, weil er diese Botschaft predigte.“ Diese Antwort ließ tief blicken! Der Staatsanwalt setzte unbewusst Jehovas Zeugen mit Jesus gleich und den Staat mit Jesu Anklägern. Am 20. Mai 1940 entschied das Gericht einstimmig zugunsten von Jehovas Zeugen.

Hayden Covington (vorn in der Mitte), Glen How (links) und andere nach einem gewonnenen Prozess vor dem Gerichtsgebäude

10 Was brachte dieses Urteil? Das Recht auf ungestörte Religionsausübung war nun besser geschützt. Die Religionsfreiheit durfte nicht mehr durch den Bund oder die einzelnen Staaten oder Gemeinden eingeschränkt werden. Außerdem sah das Gericht in Jesses Verhalten „keine . . . Bedrohung der öffentlichen Ruhe und Ordnung“. Nun hatte man es schwarz auf weiß: Jehovas Zeugen sind keine Unruhestifter. Was für ein Triumph für Gottes Diener — und das bis heute! Ein Anwalt, der Zeuge Jehovas ist, bemerkt dazu: „Heute können wir als Zeugen Jehovas unseren Mitmenschen eine Hoffnungsbotschaft bringen, weil wir das Recht haben, unsere Religion ungehindert auszuüben — ohne Angst vor unfairen Einschränkungen.“

Aufwiegler oder Enthüller?

Traktat mit der Aufschrift „Quebecs lodernder Hass gegen Gott, Christus und die Freiheit ist eine Schande für ganz Kanada“

11. Was unternahmen unsere Brüder in Kanada, und warum?

11 In den 40er-Jahren wurden Jehovas Zeugen in Kanada erbittert bekämpft. 1946 beschlossen unsere Brüder daher, die staatliche Missachtung der Religionsfreiheit publik zu machen. 16 Tage lang verbreitete man ein 4-seitiges Traktat mit der Aufschrift „Quebecs lodernder Hass gegen Gott, Christus und die Freiheit ist eine Schande für ganz Kanada“. Es beschrieb detailliert die von Geistlichen angestifteten Krawalle, die brutalen Übergriffe der Polizei und die Pöbelattacken. „Die unrechtmäßigen Verhaftungen von Zeugen Jehovas gehen weiter“, hieß es in dem Traktat. „Im Großraum Montreal liegen ungefähr 800 Anzeigen gegen Jehovas Zeugen vor.“

12. (a) Wie reagierten die Gegner auf die Flugschrift? (b) Was warf man unseren Brüdern vor? (Siehe auch Fußnote.)

12 Der Premierminister der Provinz Quebec, Maurice Duplessis, erklärte den Zeugen als Reaktion auf die Flugschrift einen „gnadenlosen Krieg“. Er arbeitete Hand in Hand mit Kardinal Villeneuve. Innerhalb kurzer Zeit verdoppelte sich die Zahl der Anzeigen von 800 auf 1 600. „Wir wurden so oft festgenommen, dass wir aufhörten zu zählen“, sagte eine Pionierin. Zeugen Jehovas, die man beim Verbreiten der Flugschrift aufgriff, wurden der „aufrührerischen Verleumdung“ bezichtigt. b

13. Wer waren die Ersten, die in Kanada wegen angeblicher Aufwiegelei angeklagt wurden, und wie entschied das Gericht?

13 Bruder Aimé Boucher und seine Töchter Gisèle (18) und Lucille (11) mussten 1947 als Erste wegen mutmaßlicher Aufwiegelei vor Gericht. Sie hatten die Flugschrift im Umkreis ihrer Farm im hügeligen Süden von Quebec City verteilt. Wie Gesetzesbrecher wirkten sie aber ganz und gar nicht. Bruder Boucher war ein einfacher, sanfter Mann, der friedlich seine kleine Farm bewirtschaftete und hin und wieder mal mit seinem Einspänner in die Stadt fuhr. Dennoch hatte seine Familie am eigenen Leib einige der Grausamkeiten zu spüren bekommen, die in der Flugschrift aufgeführt wurden. Der Richter der ersten Instanz, der einen Hass auf Jehovas Zeugen hatte, ließ kein Entlastungsmaterial zu. Vielmehr teilte er die Meinung der Anklage, das Traktat sei eine Hetzschrift und die Bouchers hätten sich strafbar gemacht. Der Richter vertrat also den Standpunkt: Es ist ein Verbrechen, die Wahrheit zu sagen! Aimé und Gisèle wurden wegen „aufrührerischer Verleumdung“ verurteilt und sogar die kleine Lucille saß zwei Tage hinter Gittern. Die Brüder wandten sich an den Obersten Gerichtshof von Kanada, der ihrem Antrag stattgab.

14. Wie reagierten die Brüder in Quebec auf die Verfolgung?

14 Unterdessen predigten unsere Brüder und Schwestern mutig weiter, und das obwohl die Gewaltakte nicht nachließen. Oft erzielten sie beeindruckende Ergebnisse. In den vier Jahren nach der Flugschriftaktion von 1946 stieg die Zahl der Zeugen Jehovas in Quebec von 300 auf 1 000. c

15, 16. (a) Wie entschied der Oberste Gerichtshof von Kanada im Fall Boucher? (b) Wie wirkte sich dieser Prozess auf unsere Brüder und die Allgemeinheit aus?

15 Im Juni 1950 befassten sich alle neun Richter des Obersten Gerichtshofs von Kanada mit dem Fall Aimé Boucher. Sechs Monate später, am 18. Dezember 1950, wurde zu unseren Gunsten entschieden. Wie kam es dazu? Nach Aussage von Bruder Glen How, einem Anwalt der Zeugen Jehovas, schloss sich das Gericht dem Argument der Verteidigung an: „Aufruhr“ beinhaltet Aufstachelung zu Gewalt oder umstürzlerisches Verhalten, die Flugschrift habe jedoch zu nichts dergleichen aufgestachelt. Es handle sich somit um „eine legale Form der freien Meinungsäußerung“. Bruder How fügte hinzu: „Ich sah mit eigenen Augen, wie Jehova die Sache zum Erfolg führte.“ d

16 Das Urteil des Obersten Gerichtshofs war ein überwältigender Triumph für Gottes Königreich. Es entzog den 122 anhängigen Verfahren, in denen Quebecer Zeugen Jehovas der aufrührerischen Verleumdung angeklagt waren, die Grundlage. Auch gewährte es den Bürgern Kanadas und des Commonwealth die Freiheit, Kritik am Verhalten des Staates zu äußern. Außerdem brachte das Urteil den kirchlich-staatlichen Angriff Quebecs auf die Freiheit der Zeugen Jehovas endgültig zum Scheitern. e

Hausierer oder eifrige Prediger?

17. Wie versuchen manche Staaten unsere Predigttätigkeit zu erschweren?

17 Jehovas Diener „hausieren nicht mit dem Wort Gottes“ — heute genauso wenig wie im 1. Jahrhundert. (Lies 2. Korinther 2:17.) Dennoch versuchen manche Staaten, unsere Predigttätigkeit durch Gewerbevorschriften zu erschweren. Sehen wir uns zwei Prozesse an, bei denen es darum ging, ob Jehovas Zeugen Hausierer oder Prediger sind.

18, 19. Wie versuchte man in Dänemark, unsere Predigttätigkeit zu behindern?

18 Dänemark. Am 1. Oktober 1932 trat ein Gesetz in Kraft, das den Verkauf von Druckschriften ohne Reisegewerbekarte verbot. Unsere Brüder waren aber nicht bereit, einen Gewerbeschein zu erwerben. Am 2. Oktober predigten fünf Verkündiger den ganzen Tag in Roskilde, ungefähr 30 Kilometer von der Hauptstadt Kopenhagen entfernt. Am Abend fehlte einer der Verkündiger, August Lehmann. Man hatte ihn festgenommen, weil er angeblich ohne Gewerbeschein Waren verkaufte.

19 August Lehmann wurde am 19. Dezember 1932 vor Gericht geladen. Er sagte aus, er habe biblische Literatur angeboten, sei aber kein Hausierer. Das Gericht teilte seinen Standpunkt. In der Begründung hieß es: „Der Angeklagte . . . ist in der Lage, für sich selbst zu sorgen, und . . . hat sich keine wirtschaftlichen Vorteile verschafft, noch hatte er diese Absicht, sondern seine Tätigkeit hat für ihn finanzielle Einbußen mit sich gebracht.“ Das Gericht stand auf der Seite von Jehovas Zeugen und entschied, August Lehmanns Tätigkeit falle nicht „unter die Bezeichnung Gewerbe“. Gegner des Volkes Gottes waren jedoch entschlossen, das Predigtwerk im ganzen Land zu unterbinden (Ps. 94:20). Der Staatsanwalt brachte den Fall bis vor das oberste Berufungsgericht des Landes. Wie reagierten unsere Brüder darauf?

20. Wie urteilte das oberste Berufungsgericht von Dänemark, und wie verhielten sich unsere Brüder?

20 In der Woche vor der Anhörung steigerten Jehovas Zeugen in Dänemark ihren Predigteinsatz. Das oberste Berufungsgericht verkündete sein Urteil am 3. Oktober 1933. Wie schon die Vorinstanz kam es zu dem Schluss, dass August Lehmann kein Gesetz übertreten hatte. Jehovas Zeugen konnten nun ungehindert weiterpredigen. Aus Dankbarkeit für den Erfolg, zu dem Jehova ihnen verholfen hatte, setzten sie sich noch mehr ein. Seit diesem Gerichtsurteil können unsere Brüder in Dänemark ihre Predigttätigkeit ohne staatliche Behinderung ausüben.

Mutige Zeugen Jehovas in Dänemark (30er-Jahre)

21, 22. Welches Urteil fällte das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten im Fall Murdock?

21 USA. Am Sonntag, den 25. Februar 1940 wurde der Pionier Robert Murdock jun. zusammen mit sieben anderen Zeugen Jehovas festgenommen, als sie in Jeannette predigten, einer Stadt in der Nähe von Pittsburgh (Pennsylvania). Sie wurden verurteilt, weil sie sich keinen Gewerbeschein für das Anbieten von Literatur beschafft hatten. Ihre Berufungsklage wurde vom Obersten Bundesgericht der Vereinigten Staaten angenommen.

22 Das Urteil vom 3. Mai 1943 gab Jehovas Zeugen recht. Das Bundesgericht sprach sich gegen das Verlangen eines Gewerbescheins aus, da man „für verfassungsmäßige Rechte keine Abgaben erheben“ dürfe. Es erklärte die städtische Verordnung für ungültig; sie sei „eine Beschneidung der Pressefreiheit und eine Einschränkung des Rechts auf freie Religionsausübung“. Richter William O. Douglas gab die Mehrheitsmeinung des Gerichts wieder, als er über das Werk der Zeugen Jehovas sagte: „Es ist mehr als Predigen und mehr als die Verteilung religiöser Schriften. Es ist eine Kombination aus beidem.“ Er fügte hinzu: „Diese Art religiöser Tätigkeit steht . . . auf derselben hohen Stufe wie der Gottesdienst in den Kirchen und das Predigen von der Kanzel.“

23. Warum sind die Prozesse, die wir 1943 gewannen, heute noch von Bedeutung?

23 Die Entscheidung des Obersten Bundesgerichts war ein großer Triumph für Gottes Volk. Sie stellte klar, was wir wirklich sind: keine Verkäufer, sondern christliche Prediger. An diesem denkwürdigen Tag im Jahr 1943 gewannen Jehovas Zeugen 12 von 13 Verfahren vor dem Obersten Bundesgericht. Dadurch wurde ein bedeutender Präzedenzfall geschaffen. Das kam uns sehr zugute, als man später erneut unser Recht angriff, öffentlich und von Haus zu Haus zu predigen.

„Wir müssen Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen“

24. Wie verhalten wir uns, wenn unsere Predigttätigkeit verboten wird?

24 Als Diener Jehovas schätzen wir es sehr, wenn uns Staaten das Recht zugestehen, die Botschaft vom Königreich bekannt zu machen. Doch wenn uns das verboten wird, ändern wir unsere Vorgehensweise und setzen unsere Tätigkeit so gut es geht fort. Wie die Apostel müssen wir „Gott, dem Herrscher, mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg. 5:29; Mat. 28:19, 20). Gleichzeitig legen wir Rechtsmittel ein, um eine Aufhebung des Verbots zu bewirken. Dazu zwei Beispiele.

25, 26. Wie kam es, dass Jehovas Zeugen in Nicaragua vor den Obersten Gerichtshof gingen, und was war das Ergebnis?

25 Nicaragua. Am 19. November 1952 erschien der Missionar und Zweigdiener Donovan Munsterman auf der Einwanderungsbehörde der Hauptstadt Managua. Man hatte ihn zu Capitán Arnoldo García beordert, der die Behörde leitete. Er teilte Donovan mit, es sei allen Zeugen Jehovas in Nicaragua „verboten, ihre Lehren zu verbreiten und ihre religiöse Tätigkeit voranzutreiben“. Als Grund gab Capitán García an, den Zeugen fehle für ihre Mission die Erlaubnis des Innenministeriums und man beschuldige sie, Kommunisten zu sein. Wer waren die Ankläger? Katholische Geistliche.

Brüder in Nicaragua unter Verbot

26 Bruder Munsterman wandte sich sofort an das Ministerium für Inneres und religiöse Angelegenheiten und an Präsident Anastasio Somoza García. Das brachte jedoch nichts. Daraufhin änderten die Brüder ihre Vorgehensweise. Sie schlossen den Königreichssaal, kamen in kleineren Gruppen zusammen und stellten den Straßendienst ein, verkündigten aber weiter die Botschaft von Gottes Königreich. Gleichzeitig reichten sie beim Obersten Gerichtshof von Nicaragua eine Petition ein, um eine Aufhebung des Verbots zu erreichen. Viele Zeitungen berichteten über das Verbot und den Wortlaut der Petition, und der Oberste Gerichtshof erklärte sich bereit, den Fall anzuhören. Wie ging das Ganze aus? Am 19. Juni 1953 veröffentlichte das Gericht sein einstimmiges Urteil zugunsten von Jehovas Zeugen. Darin hieß es, das Verbot verstoße gegen das verfassungsmäßige Recht auf Rede-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit und das ursprüngliche Verhältnis zwischen dem Staat Nicaragua und Jehovas Zeugen sei wiederherzustellen.

27. Was war an dem Urteil so ungewöhnlich, und wie reagierten die Brüder in Nicaragua auf diesen Erfolg?

27 Die Einwohner Nicaraguas staunten, dass sich der Oberste Gerichtshof auf die Seite der Zeugen Jehovas gestellt hatte. Bis dahin hatte das Gericht Konflikte mit der Kirche vermieden und sich nur selten gegen staatliche Beschlüsse ausgesprochen, weil sowohl der Klerus als auch staatliche Stellen starken Einfluss ausübten. Unsere Brüder führten diesen Erfolg auf den Schutz ihres Königs und auf ihr unbeirrtes Predigen zurück (Apg. 1:8).

28, 29. Wie änderte sich Mitte der 80er-Jahre die Lage in Zaire?

28 Zaire. Mitte der 80er-Jahre gab es rund 35 000 Zeugen Jehovas in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo). Um mit dem stetigen Wachstum Schritt zu halten, baute man ein neues Zweigbüro. Im Dezember 1985 fand in der Hauptstadt Kinshasa ein internationaler Kongress statt. 32 000 Besucher aus vielen verschiedenen Ländern strömten in das dortige Stadion. Doch dann änderte sich die Lage für Jehovas Zeugen.

29 Damals war Bruder Marcel Filteau in Zaire als Missionar eingesetzt. Er stammte aus der kanadischen Provinz Quebec und hatte die Verfolgung unter dem Regime von Duplessis miterlebt. Bruder Filteau berichtete: „Am 12. März 1986 überreichte man den verantwortlichen Brüdern einen Brief, in dem die Vereinigung der Zeugen Jehovas in Zaire für illegal erklärt wurde.“ Das Verbot war von Präsident Mobutu Sese Seko unterzeichnet worden.

30. Vor welcher schwierigen Entscheidung stand das Zweigkomitee, und was wurde beschlossen?

30 Am nächsten Tag wurde landesweit im Radio verkündet: „Jetzt werden wir nie wieder etwas von Jehovas Zeugen hören.“ Augenblicklich setzte Verfolgung ein. Man verwüstete Königreichssäle, und unsere Brüder wurden ausgeraubt, festgenommen, inhaftiert und geschlagen. Sogar Kinder kamen ins Gefängnis. Am 12. Oktober 1988 wurde das Eigentum des Zweigbüros beschlagnahmt und die Miliz besetzte das Grundstück. Die verantwortlichen Brüder wandten sich schriftlich an Präsident Mobutu, erhielten aber keine Antwort. Das Zweigkomitee stand vor einer schwierigen Entscheidung: „Sollen wir vor den Obersten Gerichtshof gehen oder noch warten?“ Timothy Holmes, Missionar und damaliger Koordinator des Zweigkomitees, erinnert sich: „Wir baten Jehova um Weisheit und Anleitung.“ Nach reiflicher Überlegung kam das Zweigkomitee zu dem Schluss, man solle besser noch warten. Stattdessen konzentrierte man sich darauf, für die Brüder und Schwestern da zu sein und Mittel und Wege zu suchen, um weiter predigen zu können.

„Während des Prozesses wurde uns klar, wie Jehova die Lage verändern kann“

31, 32. Welches bedeutende Urteil fällte der Oberste Gerichtshof von Zaire, und wie wirkte es sich auf unsere Brüder aus?

31 Es vergingen mehrere Jahre. Der Druck auf Jehovas Zeugen in Zaire ließ nach und die Menschenrechte zählten mehr. Jetzt hielt es das Zweigkomitee für günstig, den Obersten Gerichtshof anzurufen. Erstaunlicherweise wurde ihr Antrag angenommen. Am 8. Januar 1993, fast sieben Jahre nach dem Beschluss des Präsidenten, entschied das Gericht, das Vorgehen der Regierung sei ungesetzlich und das Verbot müsse rückgängig gemacht werden. Die Richter riskierten Kopf und Kragen, als sie die Entscheidung des Präsidenten für ungültig erklärten. Bruder Holmes sagt: „Während des Prozesses wurde uns klar, wie Jehova die Lage verändern kann“ (Dan. 2:21). Dieser Triumph stärkte den Glauben unserer Brüder. Offensichtlich hatte unser König Jesus seine Nachfolger genau zur richtigen Zeit zum Handeln bewogen.

Zeugen Jehovas in der Demokratischen Republik Kongo freuen sich, Jehova ungehindert dienen zu können

32 Jetzt, wo das Verbot nicht mehr existierte, konnte man Missionare einreisen lassen, ein neues Bethel bauen und biblische Literatur importieren. f Ja, Jehova lässt sein Volk nie im Stich! Das erfüllt seine Diener auf der ganzen Erde mit großer Freude (Jes. 52:10).

„Jehova ist mein Helfer“

33. Was hat uns diese Rückschau gezeigt?

33 Diese Rückschau hat uns gezeigt, dass Jesus sein Versprechen gehalten hat: „Ich will euch Mund und Weisheit geben, der alle eure Gegner zusammen nicht widerstehen oder widersprechen können.“ (Lies Lukas 21:12-15.) Offensichtlich hat Jehova immer mal wieder zum Schutz seines Volkes einen „Gamaliel“ auftreten lassen oder er hat mutige Richter und Anwälte veranlasst, für das Recht einzutreten. Jehova hat die Waffen unserer Gegner stumpf werden lassen. (Lies Jesaja 54:17.) Kein Widerstand kann Gottes Werk lahmlegen.

34. Warum sind unsere Erfolge vor Gericht so bemerkenswert, und was wird dadurch bewiesen? (Siehe auch den Kasten „ Bedeutende Urteile stabilisieren unser Predigtwerk“.)

34 Warum sind unsere Erfolge vor Gericht so bemerkenswert? Jehovas Zeugen sind weder berühmt noch einflussreich. Wir wählen nicht, unterstützen keine Wahlkampagnen und haben keine Lobby. Diejenigen von uns, die vor hohen Gerichten stehen, gelten meistens als „ungelehrte und gewöhnliche Menschen“ (Apg. 4:13). Aus menschlicher Sicht haben die Gerichte also kaum einen Anreiz, unseren mächtigen religiösen und politischen Gegnern Einhalt zu gebieten. Trotzdem haben sie wiederholt zu unseren Gunsten entschieden. Diese Erfolge beweisen, dass wir unseren Weg mit Gott gehen, „in Gemeinschaft mit Christus“ (2. Kor. 2:17). Wie der Apostel Paulus erklären wir: „Jehova ist mein Helfer; ich will mich nicht fürchten“ (Heb. 13:6).

a Cantwell gegen Staat Connecticut war der erste von 43 Prozessen vor dem Obersten Bundesgericht der USA, bei denen Hayden Covington Zeugen Jehovas verteidigte. Bruder Covington starb 1978. Seine Witwe Dorothy diente Jehova treu bis zu ihrem Tod. Sie verstarb 2015 im Alter von 92 Jahren.

b Die Anklage beruhte auf einem Gesetz aus dem Jahr 1606. Danach konnte ein Gericht jemanden schuldig sprechen, wenn es der Ansicht war, er schüre durch seine Aussagen Feindseligkeit — selbst wenn er die Wahrheit sagte.

c Im Jahr 1950 gab es in Quebec 164 Vollzeitprediger. Dazu gehörten 63 Gileadabsolventen, die bereitwillig dorthin gegangen waren, obwohl sie heftiger Widerstand erwartete.

d Bruder W. Glen How war ein mutiger, begabter Anwalt, der von 1943 bis 2003 Hunderte von Prozessen für Jehovas Zeugen in Kanada und anderen Ländern führte.

e Mehr dazu in dem Artikel „ ‚Nicht euer ist die Schlacht, sondern Gottes‘ “ (Erwachet!, 22. April 2000, Seite 18—24).

f Die Miliz räumte schließlich die Zweiggebäude. Das neue Bethel entstand an einem anderen Ort.