An die Galater 1:1-24
Studienanmerkungen
An die Galater: Titel wie dieser waren offensichtlich nicht im Originaltext enthalten. An alten Handschriften wie dem Papyruskodex P46 kann man erkennen, dass solche Titel später hinzugefügt wurden, wahrscheinlich um die Briefe leichter auseinanderhalten zu können. (Siehe „Der Brief von Paulus an die Galater“ in der Mediengalerie.) Andere alte Handschriften wie der Codex Vaticanus oder der Codex Sinaiticus aus dem 4. Jh. enthalten denselben Titel.
an die Versammlungen von Galatien: Seine erste Missionsreise um 47–48 u. Z. führte Paulus durch Galatien. (Siehe Anm. zu Galatien in diesem Vers.) Zusammen mit Barnabas besuchte er Städte im S der Region, wie das pisidische Antiochia, Ikonion, Lystra und Derbe (Apg 13:14, 51; 14:1, 5, 6). Da dort viele positiv auf die gute Botschaft reagierten, gründeten die beiden in diesen Städten Versammlungen (Apg 14:19-23). Der Samen des Christentums fiel in Galatien offenbar auf fruchtbaren Boden. Timotheus z. B. stammte aus dieser Gegend (Apg 16:1). Die „Versammlungen von Galatien“, an die Paulus schrieb, bestanden aus Juden, beschnittenen Proselyten und unbeschnittenen Nichtjuden, von denen bestimmt einige keltischer Abstammung waren (Apg 13:14, 43; 16:1; Gal 5:2). Auch in anderen Briefen in den Christlichen Griechischen Schriften werden die Versammlungen in dieser Gegend erwähnt. In seinem ersten Brief an die Korinther (um 55 u. Z.) sprach Paulus von Anweisungen, die er den „Versammlungen von Galatien“ zum Thema Geldsammlungen gegeben hatte (1Ko 16:1, 2; Gal 2:10). Und einige Jahre später (ca. 62–64 u. Z.) richtete Petrus seinen ersten Brief unter anderem „an die vorübergehend Ansässigen … [in] Galatien“ (1Pe 1:1; siehe Anm. zu Gal 3:1).
Galatien: Im 1. Jh. u. Z. verstand man unter Galatien sowohl eine Gegend als auch eine römische Provinz mitten in Kleinasien. (Siehe Worterklärungen.)
Wir wünschen euch unverdiente Güte und Frieden: Siehe Anm. zu Rö 1:7.
Weltsystem: Das griechische Wort aiṓn hat die Grundbedeutung von „Ära“, „Zeitalter“. Es kann sich auf Zustände oder Merkmale beziehen, die einen bestimmten Zeitabschnitt, eine Epoche oder ein Zeitalter kennzeichnen (2Ti 4:10; siehe Worterklärungen zu „Weltsystem; Systeme“). Das „gegenwärtige böse Weltsystem“, von dem Paulus hier spricht, entstand offensichtlich nach der Sintflut. Die Menschen entfernten sich immer mehr von einer Lebensweise, die Gott gefällt; sie lehnten sich gegen ihn und seinen Willen auf und ließen ihren sündigen Neigungen freien Lauf. In diesem „bösen Weltsystem“ lebten auch die Christen im 1. Jh. u. Z. – ohne jedoch Teil davon zu sein. Durch das Loskaufsopfer Christi waren sie daraus befreit worden. (Siehe Anm. zu 2Ko 4:4.)
Amen: Siehe Anm. zu Rö 1:25.
dass ihr euch so schnell … abwendet: Paulus erwähnt hier einen wesentlichen Grund für den Brief an die Galater. Obwohl sein Besuch in Galatien noch nicht lange her war, wandten sich bereits einige in den Versammlungen dort von der Wahrheit ab. Zu dem „üblen Einfluss“, den er im Brief anspricht (Gal 3:1), gehörten „falsche Brüder“, die sich in die Versammlungen eingeschlichen hatten. (Siehe Anm. zu Gal 2:4; 3:1.) Einige von ihnen waren Judaisten, die behaupteten, Christen müssten das mosaische Gesetz einhalten. (Siehe Anm. zu Gal 1:13.) Sie pochten weiter darauf, obwohl die Apostel und älteren Männer in Jerusalem klargestellt hatten, dass nichtjüdische Christen nicht an das mosaische Gesetz gebunden waren (Apg 15:1, 2, 23-29; Gal 5:2-4). Wie Paulus zeigt, hatten sie Angst vor Verfolgung und wollten ihre jüdischen Gegner durch Zugeständnisse beschwichtigen (Gal 6:12, 13). Die falschen Brüder wollten einen Keil zwischen Paulus und die Versammlungen treiben und stellten möglicherweise infrage, ob er wirklich ein Apostel war (Gal 1:11, 12; 4:17). Einige Galater scheinen einen Hang zu Unmoral, Streit und Egoismus gehabt zu haben und gefährdeten dadurch ihr Verhältnis zu Gott. Paulus spricht solche sündigen Neigungen gegen Ende des Briefes an (Gal 5:13 bis 6:10).
einer anderen guten Botschaft: „Falsche Brüder“ predigten „etwas anderes“ als die gute Botschaft, die Paulus den Galatern verkündet hatte; er hatte ihnen die „gute Botschaft über den Christus“ gepredigt (Gal 1:7, 8; 2:4). Dabei ging es um die Freiheit, die durch Christus möglich wird – eine Befreiung von der Erbsünde und von dem einengenden mosaischen Gesetz (Gal 3:13; 5:1, 13 und Anm.). Diese gute Botschaft stammte „nicht von Menschen“ (Gal 1:8, 9, 11, 12; 2Ko 11:4; siehe Anm. zu Gal 1:8).
verwirren: Das entsprechende griechische Verb bedeutet auch „aufrühren“, „erschüttern“, „beunruhigen“. Hier und an anderen Stellen geht es um das Durcheinanderbringen von Gedanken und Gefühlen (Apg 15:24; Gal 5:10). In Apg 17:13 wird mit demselben Verb beschrieben, dass die Juden in Beröa eine Menschenmenge „aufhetzten“.
er soll verflucht sein: Paulus warnt die Christen in Galatien vor „gewissen Leuten, die … die gute Botschaft über den Christus verdrehen wollen“ (Gal 1:7). Solchen Leuten waren offensichtlich jüdische Traditionen wichtiger als die gute Botschaft. Wie Paulus sagt, sollten Christen jeden, der ihnen etwas anderes verkündete als das, was sie ursprünglich gelernt hatten, als „verflucht“ ansehen – selbst wenn es ein Engel wäre. Diese Warnung bekräftigt er im folgenden Vers noch einmal. Das griechische Wort für „verflucht“ (anáthema oder anáthēma) bezeichnet wörtlich etwas „Aufgestelltes“. Es bezog sich ursprünglich auf geweihte Gaben, die in einem Tempel aufgestellt und als heilig abgesondert wurden. Im vorliegenden Vers geht es um etwas, das als schlecht oder böse abgesondert ist (1Ko 12:3; 16:22; siehe Anm. zu Rö 9:3). Die Übersetzer der Septuaginta gaben damit normalerweise das hebräische Wort chérem wieder, das etwas bezeichnet, das „für die Vernichtung bestimmt“ ist (5Mo 7:26; 13:17).
Versuche ich jetzt tatsächlich, Menschen für mich zu gewinnen oder Gott?: „Falsche Brüder“ in Galatien behaupteten, Paulus habe seine Botschaft angepasst, um die Christen dort auf seine Seite zu ziehen (Gal 2:4). Anscheinend warfen sie ihm vor, er predige immer noch die Beschneidung, wenn ihm das Vorteile einbringen würde (Gal 5:11). Dagegen wehrt sich Paulus hier. Das griechische Wort für „gewinnen“ (péithō) bedeutet unter anderem auch „überzeugen“, „auf seine Seite ziehen“, „zufriedenstellen“. Paulus stellt sinngemäß die rhetorische Frage: „Versuche ich Gott zufriedenzustellen oder Menschen?“ Natürlich ging es ihm darum, Gott zu gefallen. Er war zwar anpassungsfähig, wenn er unterschiedliche Menschen für die gute Botschaft begeistern wollte (siehe Anm. zu 1Ko 9:22), aber ihren Inhalt veränderte er nie. (Siehe Anm. zu Oder versuche ich Menschen zu gefallen? in diesem Vers.) In den vorhergehenden Versen stellt Paulus unmissverständlich klar, dass es nur eine Wahrheit gibt: „die gute Botschaft über den Christus“ (Gal 1:6-9).
Oder versuche ich Menschen zu gefallen?: Manche behaupteten, Paulus rede anderen nach dem Mund, um sie für sich zu gewinnen. Mit dieser rhetorischen Frage wollte er klarstellen, dass er natürlich nicht versuchte, Menschen zu gefallen – sonst wäre er kein Sklave Christi (1Th 2:4).
offenbart worden: Paulus gebraucht hier das griechische Wort apokálypsis, das wtl. „Aufdeckung“, „Enthüllung“ bedeutet. In den Christlichen Griechischen Schriften bezieht es sich oft auf Informationen, die Gott oder Jesus den Menschen enthüllen. Wie Paulus hier klarstellt, hatte er die gute Botschaft, die er predigte, nicht von Menschen erhalten, sondern von Jesus Christus. Diese Tatsache bestätigte, dass er ein echter Apostel war. Wie die anderen Apostel hatte er die gute Botschaft von Jesus persönlich gehört und war von ihm direkt beauftragt worden (1Ko 9:1; Eph 3:3). Später im Galaterbrief erwähnt Paulus, dass Jesus ihn in einer weiteren Offenbarung angewiesen hatte, den Aposteln und Ältesten in Jerusalem die Beschneidungsfrage vorzulegen. (Siehe Anm. zu Gal 2:2.)
Judentum: Die jüdische Religion, wie sie zur Zeit von Paulus ausgeübt wurde. Das Wort kommt in den Christlichen Griechischen Schriften nur in Gal 1:13, 14 vor. Die Juden im 1. Jh. behaupteten einerseits, sich eng an die Hebräischen Schriften zu halten, legten aber andererseits großen Wert auf „die Traditionen … [der] Väter“. (Siehe Anm. zu Gal 1:14.) Jesus prangerte diejenigen an, die durch ihre Traditionen Gottes Wort außer Kraft setzten (Mar 7:8, 13).
massiv: Das griechische Wort hyperbolḗ bedeutet wtl. „Übermaß“ oder „über die Maßen“. Paulus drückt damit aus, mit was für einem übertriebenen Eifer er die Christenversammlung verfolgt hatte (Apg 8:1, 3; 9:1, 2; 26:10, 11; Php 3:6). In den Christlichen Griechischen Schriften kommt hyperbolḗ acht Mal vor. (Siehe Anm. zu 2Ko 4:7; 12:7.)
die Traditionen meiner Väter: Das griechische Wort für „Tradition“ (parádosis) steht für Wissen, Anweisungen oder Gewohnheiten, die an andere weitergegeben werden. Paulus meint hier die religiösen Traditionen, an die sich die geistlichen Führer der Juden hielten, vor allem die Pharisäer und Schriftgelehrten. Ihre Religion stützte sich zwar auf die Hebräischen Schriften, aber im Lauf der Zeit hatten sie viele unbiblische Traditionen hinzugefügt (Mat 15:2, 3; Mar 7:3, 5, 13; siehe Anm. zu Gal 1:13). Als „Sohn von Pharisäern“ war Paulus von jüdischen Religionslehrern ausgebildet worden, unter anderem von Gamaliel, einem angesehenen pharisäischen Gelehrten (Apg 22:3; 23:6; Php 3:5; siehe Anm. zu Apg 5:34). Sein großer Eifer für die Traditionen seiner Vorfahren führte allerdings dazu, dass er „die Versammlung Gottes“ massiv verfolgte und zerstören wollte (Gal 1:13; Joh 16:2, 3).
irgendeinem Menschen: Wtl. „Fleisch und Blut“. Diese jüdische Redewendung steht hier für einen Menschen (1Ko 15:50; Eph 6:12; siehe Anm. zu Mat 16:17).
ich ging nach Arabien und kehrte später wieder nach Damaskus zurück: In der Apostelgeschichte fasst Lukas die Ereignisse nach der Bekehrung von Paulus in Damaskus kurz zusammen, ohne diese Arabienreise zu erwähnen (Apg 9:18-20, 23-25). Die Aussage hier ergänzt also den Bericht von Lukas. Paulus könnte zunächst in Damaskus über seinen neu gefundenen Glauben gesprochen haben, dann nach Arabien gereist sein (vielleicht in die Syrische Wüste; siehe Worterklärungen zu „Arabien“) und später nach Damaskus zurückgekehrt sein, um dort weiter zu predigen. Als „eine längere Zeit vergangen war“, schmiedeten die Juden Pläne, ihn zu töten (Apg 9:23). Warum Paulus nach Arabien ging, bleibt offen. Vielleicht wollte er kurz nach seiner Bekehrung in aller Ruhe über die Schriften nachdenken. (Vgl. Mar 1:12.)
Nach drei Jahren: Paulus könnte hier meinen, dass nach seiner Bekehrung Teile von drei Jahren vergingen, bevor er – offenbar zum ersten Mal als Christ – nach Jerusalem ging. Das war wahrscheinlich um das Jahr 36 u. Z.
Kephas: Ein anderer Name für den Apostel Petrus. (Siehe Anm. zu 1Ko 1:12.)
besuchen: Das entsprechende griechische Verb kann auch „sich erkundigen“ bedeuten; es beinhaltet also den Gedanken, bei einem Besuch etwas in Erfahrung bringen zu wollen. Als Saulus bei Petrus und Jakobus zu Besuch war, hatte er sicher viele Fragen an sie, und sie wollten bestimmt alles über seine Vision und seinen Auftrag wissen.
Aposteln: Die Apostel, die Paulus gesehen hat, sind wahrscheinlich Petrus („Kephas“, Gal 1:18; 2:9) und Jakobus, der Bruder des Herrn, also Jesu Halbbruder. (Siehe Anm. zu Mat 13:55; Apg 1:14; 12:17.) Das Wort „Apostel“ wird meistens für Jesu zwölf Apostel verwendet und hat die Grundbedeutung „Abgesandter“ (Luk 8:1; siehe Anm. zu Joh 13:16 und Worterklärungen zu „Apostel“). Wie man im Fall von Jakobus sieht, hatte es aber auch eine breitere Verwendung. Offensichtlich betrachtete man ihn als einen Abgesandten der Versammlung in Jerusalem und damit ebenfalls als Apostel. Das würde erklären, warum es in Apg 9:26, 27 heißt, dass Paulus zu „den Aposteln“ (Plural) geführt wurde.
Gegenden von Syrien und Zilizien: Paulus meint damit vielleicht einfach die Gebiete um Antiochia (Syrien) und um Tarsus (Zilizien), wo er aufwuchs. (Siehe Anh. B13.) Nach seinem Besuch in Jerusalem um 36 u. Z. wurde er nach Tarsus zurückgeschickt (Apg 9:28-30). Um 45 u. Z. holte Barnabas ihn nach Antiochia, wo die beiden ein ganzes Jahr lang zusammen predigten (Apg 11:22-26). Darüber, was Paulus in den etwa acht Jahren davor machte, ist nicht viel bekannt. Doch offensichtlich predigte er so eifrig, dass man sogar in Judäa davon erfuhr (Gal 1:21-24). Da einige der Schwierigkeiten, die Paulus in 2Ko 11:23-27 aufzählt, in der Apostelgeschichte nicht erwähnt werden, könnten sie sich in dieser Zeit zugetragen haben. (Siehe Anm. zu 2Ko 11:25.) Möglicherweise erhielt er damals auch eine übernatürliche Vision, die sein Lehren maßgeblich beeinflusste (2Ko 12:1-4; siehe Anm. zu 2Ko 12:2, 4).
Medien
Das Foto zeigt eine Seite aus dem Papyruskodex P46, der auf die Zeit um 200 u. Z. datiert wird. Der Kodex enthält neun inspirierte Briefe von Paulus in folgender Reihenfolge: Römer, Hebräer, 1. Korinther, 2. Korinther, Epheser, Galater, Philipper, Kolosser und 1. Thessalonicher. Auf der abgebildeten Seite ist das Ende des Epheserbriefes und der Anfang des Galaterbriefes zu sehen. Der hervorgehobene Titel lautet: „An [die] Galater“. (Siehe Mediengalerie, „Der erste Brief von Paulus an die Korinther“ und „Der zweite Brief von Paulus an die Korinther“.)
Im 1. Jh. u. Z. sah der Grundriss von Damaskus wahrscheinlich in etwa so aus wie hier abgebildet. Damaskus war ein bedeutendes Handelszentrum. Der Fluss Barada (in 2Kö 5:12 „Abana“ genannt) machte das Umland zu einer regelrechten Oase. In der Stadt gab es etliche Synagogen. Saulus reiste nach Damaskus, um dort „alle, die zum Weg gehörten [gemeint sind Jesu Nachfolger] und die er aufspüren würde“, zu verhaften (Apg 9:2; 19:9, 23; 22:4; 24:22). Doch auf dem Weg dorthin erschien ihm der verherrlichte Jesus. Nach diesem Erlebnis wohnte Saulus eine Zeit lang in Damaskus bei einem gewissen Judas, dessen Haus sich in der Geraden Straße befand (Apg 9:11). Jesus erschien dem Jünger Ananias in einer Vision und schickte ihn zu Saulus, um dessen Sehkraft wiederherzustellen. Danach ließ sich Saulus taufen. Statt also die jüdischen Christen einzusperren, wurde Saulus selbst einer von ihnen. Er begann seine Laufbahn als Prediger der guten Botschaft in den Synagogen von Damaskus. Im Anschluss an eine Reise nach Arabien und einem weiteren Aufenthalt in Damaskus kehrte er um das Jahr 36 u. Z. nach Jerusalem zurück (Apg 9:1-6, 19-22; Gal 1:16, 17).
(A) Damaskus
(1) Straße nach Jerusalem
(2) Gerade Straße
(3) Agora
(4) Jupitertempel
(5) Theater
(6) Theater für Musikveranstaltungen (?)
(B) Jerusalem